POEMAdeutschland

Armut und Umwelt in Amazonien

Reisebericht 2023

Von Johann Graf

Macapa, 25. März 2023

Mit Wehmut verlasse ich Pakowa und seine Bewohner. Sie sind mir mit großer Freundlichkeit begegnet und ihre Gastfreundschaft ist ein großes Geschenk für mich. Kaikuri, der Enkel von Matapi hat im Morgengrauen noch einmal zwei Paku erlegt und einen großen Trairao gefangen. Davon erhalte ich zusammen mit einem großen Stück Majokbrot mein Reiseproviant. Wir machen noch einAbschiedsfoto mit allen. Ich soll unbedingt wiederkommen und sie betonen noch einmal wie wichtig für sie die Partnerschaft mit POEMA ist.

Dann geht es aufs Boot und ein letztes Mal auf dem Fluss durch den Regenwald. Schon kurz nach der Reservatsgrenze ist die Zunahme der Besiedlung und der damit verbundenen Abholzung deutlich sichtbar. Das Auto kommt pünktlich, an der kaputten Brücke müssen wir eine Stunde warten. Dann geht es auch hier schon durch Sojafelder und die riesige von Japanern betriebene Eukalyptusplantage wieter nach Macapa, wo wir in strömenden Regen ankomen. Jetzt habe ich noch etwas Zeit mich zu sortieren bevor ich am Montag über Belem und Lissabon nach Hause fliege.

Pakowa, 23. März 2023

Heute ist mein letzter Tag hier im Dorf. Ich beginne meine restlichen Lebensmittel zu verteilen. Ich wurde eh überwiegend von den Wajapi mitversorgt. Die Kinder stehen natürlich auf Zwieback mit Gelee, aber sie achten auch darauf, dass es gerecht verteilt wird. Es gibt hier ein behindertes Mädchen, sie kann nicht sprechen und sie ist mir gegenüber sehr ängstlich. Den Zwieback mit dem Gelee nimmt sie aber auch.

Wir besuchen heute das neue Feld, das sie mitte letzten Jahres angelegt haben. Es ist eine halbe Stunde Fussmarsch durch den Wald entfernt. Ich werde mehrfach von Formigas - Ameisen attakiert, was zum berühmten Ameisentanz führt und zu allgemeiner Belustigung. Das Feld liegt an einem steilen Hang und ist mit allem möglichen bepflanzt, Bananen, wobei es mindestens fünf, sechs verschiedene Sorten gibt, die ich aber anhand der Stauden kaum unterscheiden kann. Die erste Ernte ist schon im Juni möglich. Es gibt auch Ananas, Zuckerrohr, Manjok, Makaxera und etliches mehr, das ich nicht kenne.

Auf dem Weg im Wald wurden kurzerhand zwei "Rucksacktragen" aus großen Palmwedeln geflochten. Die Frauen hatten auf einem älteren Feld auf halber Strecke noch Manjok geerntet, der mit den fix erstellten Rucksäcken abtransportiert wurde. Es ist heute richtig heiss, in der Sonne hat es sicher weit über 30 Grad. Das führt dazu, dass quasi ab Mittag alle Aktivitäten eingestellt wurden. Ist mir sehr recht, ich fühle mich auch eher antriebslos und morgen ist Reisetag, 3 Stunden mit dem Boot und 5 Stunden mit dem Auto. Wenn die Brücke noch gesperrt ist kann es auch länger dauern.

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Pakowa, 22. März 2023

Heute morgen brachten die Jäger ein Paka, sieht ein bischen aus wie ein großer Hamster und zwei große Trairao - Fische. Nach dem Frühstück war Fischen angesagt. Dazu ging es mit dem Boot flussabwärts bis der Riosinho weniger Windungen macht. Dort wurde der Motor abgestellt und dann wurden die Angeln ausgeworfen. Die sind selbstgemacht, allerdings sind Haken und Schüre aus der Stadt. Immer wieder werden die Angeln ausgeworfen, aber der Erfolg ist sehr bescheiden. Ein paar kleine Fischlein und die Wajapi machen Witze, dass wir heute hungern müssen. Sie meinen, weil es in der Nacht am Oberlauf viel geregnet hat und der Fluss deshalb deutlich mehr Wasser führt, beißen die Fische nicht so gut.

Plötzlich gibt es eine größere Aufregung, sie haben irgend was entdeckt. Schnell geht es ans Ufer, die Angeln werden zur Seite gelegt, Paulinho greift nach dem Gewehr und die Wajapi verschwinden im Unterholz. Bis ich mich an Land gequält habe fällt schon ein Schuß, und ich sehe gerade noch einen Affen zu Boden stürzen. Aber es ist noch nicht vorbei. Es ist eine Affenfamilie, Guaribas, und einer sitzt noch oben in einem kleineren Baum. Nach einigem hin und her versuchen sie diesen zu fällen. Das lässt den Affen auf den nächsten Baum flüchten, wo er aber ein besseres Ziel abgibt und dem zweiten Schuß zum Opfer fällt.

Die Wajapi leben traditionellp von der Jagd und vom Anbau verschiedener Gemüse und Früchte. Hauptnahrungsmittel ist Manjok. Der wird in einem aufwendigen Verfahren entgiftet, denn er enthält Blausäure. Am Ende entsteht eine Art grobes Mehl, aus dem sie Beju, eine Art Brot backen. Wir werden morgen noch das Feld des Dorfes aufsuchen. Es ist rund 20 Minuten vom Dorf entfernt.

Heute nachmittag gab es "Körperbemahlung". Eigentlich machen sie das vor allem vor Festen. Dazu wird eine Baumfrucht, Janipapo, mit etwas Wasser gemischt und diese flüssige Paste wird dann mit einem kleinen Holzstift auf die Haut aufgetragen. Die Muster haben eine lange Tradition und symbolisieren, Fische, Schlangen, Schmetterlinge, verschiedene Symbole aus dem Tierreich. Ich erhalte Bemahlung an Armen, Beinen, Rücken und Bauch. Das Ganze verblasst nach einigen Tagen, aber etwas davon werde ich nach Deutschland mitbringen.

Pakowa, 21. März 2023

Die Nacht war sehr windig und Paulinho hatte starken Regen vorhergesagt. Mein Moskitonetz wurde extra hochgebunden, dass es nicht nass wird. Der Regen ging aber etwas flussaufwärts nieder, hier blieb alles trocken. Mit der Morgendämmerung beginnt hier langsam der Tag. Die Feuer werden wiederbelebt, die Kinder sammeln Holz und zerkleinern es. Dann geht es zum Waschen an den Fluss, jeweils eine Familie macht sich auf den Weg. Erst wenn diese zurückkehrt macht sich die nächste au f den Weg. Das "tomar banho" ein Bad nehmen ist ein tägliches Ritual das morgens, mittags und abends wiederholt wird. Heut fahren wir mit dem Boot zurück nach Jakare akagoka und es wiederholt sich die Versammlung von gestern.

Der Kazike erinnert sich noch gut an POEMA, schließlich haben wir hier die erste Gesundheitsstation gebaut. Die Probleme sind hier ähnlich, es gibt keinen funktionierenden Brunnen mehr und die Wasserqualität des Flusses ist schlecht. Außerdem wünschen sie sich Internetanschluss, das gäbe es jetzt schon in vielen Dörfern. Der Funk würde oft nicht funktionieren. Auch die Frauengesundheit ist Thema. Es gibt eine junge Frau, die an der Ausbildung zur AIS interessiert ist. Sie finden es gut, dass die Frauen jetzt auf Uteruskrebs untersucht wurden.

Sie wollen aber, dass auch die Männer eine Prostatauntersuchung erhalten. Es stellt sich dann heraus, dass es bisher keine Fälle von Prostatakrebs gab. Die Gesundheitsstation steht tatsächlich noch, auch wenn man ihr die 20 Jahre ansieht. Einiges sollte dringend erneuert werden. Aber sie ist in Betrieb. Stolz zeigt mir der Technico, ein Wajapi, der Sohn von Aikry, die Ausstattung. Es gibt die notwendigen Medikamente, Verbandsmaterial ist etwas rar, aber Malariamedikamente und Antibiotika sind ausreichend vorhanden. Er arbeitet hier immer 20 Tage am Stück und wird dann von einer brasilianischen Kollegin abgelöst.

Nach der Rückkehr wird Pupunia geerntet. Pupunia ist eine Palmfrucht. Die Früchte hängen im Bündel bestimmt fünf Meter hoch. Es wird ein kleines Gerüst gebaut, weil einige der Palmen entlang des Stammes Stacheln haben. Bei anderen klettern sie einfach hoch. Pupunia müssen gekocht werden. Man kann sie dann schälen und direkt essen. Sie machen aber auch eine Art Brühe daraus, die es in dieser Jahreszeit zu allen Mahlzeiten gibt.

Pakowa, 20. März 2023

An der Grenze des Reservats wurde ich von den Wajapi empfangen. Meine Sachen, Lebensmittel und mehrere Kanister mit Sprit wurden aufs Boot verladen und dann ging es flussaufwärts. Der Riosinho bildet hier die Reservatsgrenze. Es ist bestimmt über zehn Jahre her, dass ich in diesem Teil des Reservats war. Seither gab es einige Ansiedlungen auf der Seite der Weißen. POEMA hat hier in Jakare akagoka die erste Gesundheitsstation im Jahr 2004 finanziert und etwas später eine weitere in Yvyrareta, dem Dorf von Matapi, der im hohen Alter vor zwei Jahren gestorben ist. Auch die Missionsstation der evangelikalen Sekte "New Tribes Mission" ist existiert noch und soll jetzt sogar eine kleine Klinik erhalten. Wie erfolgreich ihre destruktive Missionsarbeit tatsächlich ist, ist schwer einzuschätzen. Sie missachten indigene Kulturen, predigen die wörtwörtliche Auslegung der Bibel, leisten aber viel praktische Hilfe. Auf die Frage, wie es mit den Missionaren funktioniert sagt mir Paulinho, mein Wajapibegleiter: Die Weißen wollen unser Land klauen, die Garimperos unser Gold und die Missionare unsere Seele! Und dabei lacht er breit.

Nach etwa drei Stunden kommen wir in Pakowa an. Hier leben sieben Familien, knapp 20 Erwachsene und rund 30 Kinder. Ich werde allen vorgestellt und einige erkenn ich wieder. Die Frauen sind mehrheitlich aus anderen Dörfern, weil sie bei der Heirat den Männern in deren Dorf folgen. Paulinho ist Coordenador von AWATAC, der Selbstorganisation der Wajapi. Er ist viel mit der Außenvertretung der Wajapi beschäftigt, verbringt viel Zeit in Macapa, war aber auch schon bei politischen Treffen in Brasilia. Er hat keinen Wajapinamen, weil sein Großvater aus der Gruppe der Wajapi in Französisch-Guayana stammt, die sehr von deren Kultur vereinnahmt wurde. Sein Vater Jean-Paul ist dann hier her umgezogen und hat eine Wajapi aus der hießigen Gruppe geheiratet. Auf Grund der Funktion von Paulinho, er ist erst 25 Jahre alt, gibt es hier Mitten im Regenwald Internet via Satelit. Ich habe eine eigene Hütte in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Wajapi. Es werden mir alle vorgestellt inclusive der Verwandschaftsbeziehungen, die ich mir aber nicht merken kann. Es gibt hier zur Zeit keine Malaria, und sie schützen sich mit Moskitonetzen.

Ein Problem ist hier das Wasser. Es gibt keinen Brunnen, deshalb müssen sie das Wasser aus dem Fluss nehmen, was leider vor allem bei den Kindern immer wieder zu Krankheiten, vor allem zu Durchfall, führt. Sie haben schon mehrere Versuche über die Funai und die DESAI, die für sie zuständige Gesundheitsbehörde ,unternommen die Wasserversorgung durch den Bau eines Brunnen zu verbessern. Bisher vergeblich. Unter Bolsonaro wurde die Unterstützung für die Indigenen Völker drastisch reduziert und Korruption war bei den Verantwortlichen besonders verbreitet. Es gibt die Hoffnung, dass das jetzt besser wird. Die neue Präsidentin der FUNAI ist eine Indigene, die die letzten Jahre sich im Parlament sehr für Indigene Rechte eingesetzt hat. Die Nächte hier im Wald sind immer wieder etwas besonderes, allein der Sternenhimmel ist überwältigend, dazu die Geräusche des Regenwaldes. Die Jäger des Dorfes sind früh aufgebrochen. Es gäbe hier noch reichlich Wild. Sie versprechen sogar einen Tapir. Tatsächlich bringen sie heute morgen mehrere kleine Krokodile. Eines davon wurde lebend gefangen und wird in der Nähe in einem kleinen Bach ausgesetzt. Die Hoffnung ist, das zukünftig dort auch Jakares gejagt werden können.

Wir besuchen heute vormittag das Nachbardorf Acaju, indem Patena lebt, der ja auch schon auf Einladung von POEMA in Deutschland war. Er ist aber zur Zeit in Macapa zur Ausbildung zum tecnico de infermagem, ein Schritt über dem AIS (agente de saude Indigena), was vor allem mehr Verdienst bedeutet. Das Dorf hat sich nach meiner Erinnerung nicht sehr verändert. Das Einzige, was gleich ins Auge sticht ist die Solaranlage, mit der auch hier Internet möglich ist. Es gibt eine kleine Versammlung mit dem alten Kaziken und seiner Frau, die ich beide noch kenne. Sie sprechen nicht gut portugisisch und Paulinho muss übersetzen. POEMA wird sehr gelobt für die verlässliche Partnerschaft seit 20 Jahren, insbesondere im Gesundheitsbereich. Aktuell sind sie besonders froh, dass es die Kurse zur Frauengesundheit im letzten Jahr gab, verbunden mit den Untersuchungen zum Gebärmutterhalskrebs. Es gab im Reservat mehrere Todesfälle unter anderem auch bei Waiwais Frau, was große Besorgnis ausgelöst hat. Sie erzählen, dass sie immer wieder Untersuchungen gefordert haben, das aber nichts passiert sei.

Wenn sie die Untersuchung privat in der Stadt machen lassen ist das teuer und sie erhalten meistens kein Ergebnis. Sie fragen mich, ob wir sie weiter unterstützen können vor allem bei dem Thema Frauengesundheit. Paulinho ergänzt, dass sie bei AWATAC beschlossen. haben uns zu bitten eine Ausbildung nur für weibliche AIS zu finanzieren. Bislang gibt es fast ausschließlich Männer als AIS. Und in der Kultur der Wajapi dürfen Männer ander Frauen eigentlich nicht behandeln. Ich verspreche, dass ich das mit den verantwortlichen Wajapi und mit Juliana, die unsere Ansprechpartnerin von seiten der IEPE ist, besprechen werde. Ich werde noch mit Fisch, Trairao, versorgt bevor wir wieder nach Pakowa zurrückkehren. Auf der Fahrt sehen wir immer wieder Schildkröten, die es lieben sich auf den aus dem Fluss ragenden Baumstämmen zu sonnen. Sie stellen extra den Motor ab, damit ich eine mit der Kamera einfangen kann. Die versuchen sie dann auch noch zu erwischen, was aber misslingt. Jetzt regnet es in Strömen, was aber die Kinder nicht abhält über den Dorfplatz zu flitzen.

Macapa, 18. März 2023

Gestern bin ich in Macapa im nördlichsten Bundesstaat Brasiliens, quasi direkt auf dem Äquator angekommen. Heute war ich mit Einkäufen beschäftigt, Hängematte, Moskitonetz und Lebensmittel. Macapa ist in den letzten Jahren enorm gewachsen und hat jetzt deutlich über eine halbe Million Einwohner. Es ist laut, heiss und schwül, und ich bin froh wieder in der Posada Equinox, beim ehemaligen französischen Konsul und seiner Frau Cecilia, untergekommen zu sein. Die Posada ist trotz der Hauptstraße eine kleine Oase. Man kann hier nach Amapa nur mit dem Schiff oder per Flugzeug anreisen. Eine Brücke über den Amazonas gibt es ja nicht. Beeindruckend ist hier auch wie sehr sich Ebbe und FLut auswirken, aber es sind ja weniger als 100 Kilometer bis zum Atlantik. Morgen früh geht es ins Reservat der Wajapi. Weil auch am Sonntag auf der Strecke an einer maroden Brücke gearbeitet wird und diese ab 8 Uhr gesperrt wird, müssen wir schon um 4:30 Uhr starten. Ich werde das neue Dorf Pakowa besuchen. Es liegt an dem Flüsschen, an dem POEMA die erste Gesundheitsstastion in Jakare Akagoka finanziert hat. Das nächste Dorf ist Acaju, in dem Patena wohnt, der schon auf Grund unserer Einladung gemeinsam mit dem Kaziken Waiwai in Deutschland war. Ich weiss nicht, wen ich dort antreffen werde, aber Julian versichert mir, dass alles wohl organisiert sei.

Von den Kaapor habe ich gestern die Information bekommen, daß sie von der Bundesregierung eine Einladung nach Brasilia erhalten haben. Dort wird es eine Anhörung geben zu all den Gesetzesverletzungen und Übergriffe in den letzten Jahren. Also es tut sich doch etwas, unter Bolsonaro wäre das nicht vorstellbar gewesen. Dieser Tage gab es ein Interview mit der neuen und alten Umweltministerin Marina da Silva. Sie spricht da unter anderem vom "Trauma von Belo Monte", dem riesigen, zerstörerischen Wasserkraftwerk am Rio Xingo. Bisher wurde das von Lula immer noch verteidigt. Jetzt geht es um die weitere Betriebsgenehmigung. Dies wird ein erster Gradmesser sein, inwieweit die neue Regierung den Umweltschutz tatsächlich ernst nimmt. Dis Aussagen von Marina da Silva machen Mut, gleichzeitig ist auch klar wie schwierig und wie vielfältig die anstehenden Probleme sind. Sie will Brasilien weg von den umweltzerstörenden Energieträgern hin zu den Erneuerbaren führen. Möge es gelingen.

Cameta, 15. März 2023

Gestern habe ich beinahe den Bus nach Cameta verpasst. Ich war sehr rechtzeitig unterwegs, aber es regnete in strümen, und in der Straße vor dem Hotel stand das Wasser über einen halben Meter, so daß kein Taxi fahren konnte. Ich konnte dann doch noch ein Auto ergattern mit dem ich dann ewig im Stau stand, weil alle Ampeln ausgefallen waren. Den letzten Kilometer bin ich dann gerannt. Der Rest war dann unproblematisch. Man fährt von Belem aus rund fünf Stunden mit dem Bus. Zum Schluss überquert man den Rio Tocantins mit dem Boot. Am kleinen Hafen von Cameta wurde ich von Jaime mit dem Motorad abgeholt.

Heute früh um 6:30 Uhr ging es dann auf der so genannten Bundesstraße, bei uns gibt es keine Waldwege in dieser "Qualität", in Richtung Tucurui bis zur Abzweigung nach Melancial. Von da ab war es nur noch ein Schlammweg. Der Fahrer ist einmal sogar barfuss ind den Schlamm um einen halbwegs sicheren Weg zu finden. Es ist halt Regenzeit, dafür staubt es nicht. In Melanzial wurden wir mit einem Frühstück mit Tapioka erwartet, später gab es dann auch noch Huhn und jede Menge selber gemachter Fruchtsäfte. Dazwischen wurden wir in die verschiedenen wiederaufgeforsteten Felder geführt. Als wir im letzten Juli hier waren war hier alles noch Gestrüpp und unwegsam. Jetzt ist der Brunnen fertig, die Bewässerungsrohre sind gelegt und die Assai- Kakao- und Cupuacupflanzen sind entlang der Bewässerungsrohre gesetzt. Fünf Familien sind an dem Projekt zur Wiederaufforstung beteiligt. Sie helfen sich gegenseitig. Es sind nicht alle Bereiche so weit, aber sie sind sicher, dass sie in den nächsten drei Wochen alle Setzlinge gepflanzt haben. Ende Juni wird das Projekt hier fertig sein. Die erste Ernte wird schon in drei Jahren möglich sei, es wächst hier alles wahnsinnig schnell. Die Rückmeldungen sind sehr positiv und die Beteiligten sind rundum zufrieden.

Wir machen noch eine kurzen Abstecher nach Novo America, wo das erste Wiederaufforstungsprojekt angesiedelt ist. Hier sind die Bäume schon richtig groß und sieht schon richtige nach Wald aus. Die Ernte war reichlich und neben dem wenn auch kleinen positiven Effekt für die Natur hat sich die Lebensqualität der Menschen verbessert.

Auf dem Rückweg halten wir in Pao D'arco, einem Dorf an der Straße mit rund 200 Einwohnern. Hier soll das nächste Wiederaufforstungsprojekt stattfinden. Es ist das erste gemeinsame Gepräch mit den fünf interressierten Familien. Nilma , die Agroingenieuerin, erklärt das Projekt, wie der zeitliche Ablauf ist, wer für was verantwortlich ist, was ihre Aufgabe ist, welche Unterstützung sie erhalten, usw. Es gibt einige Nachfragen. Was hier besonders ist, die Frauen sind sehr interessiert und engagiert, in den anderen Projekte waren ausschließlich Männer beteiligt. Als nächstes werden sie gemeinsam Melancial besuchen um dort konkret zusehen, was auf sie zukommt. Ganz praktisch wird in den nächsten Wochen die Baumschule eingerichtet, in der die notwendigen Setzlingen gezogen werden. Ich bin zuversichtlich, dass auch hier in Pau D'arco eine erfolgreiche Wiederaufforstung stattfinden wird.

Santarem, 11. März 2023

Murumurutuba ist ein Quilombola-Dorf 50 Km von Santarem entfernt. Quilombola werden die einst entflohenen schwarzen Sklaven genannt, die in Gemeinschaften im Regenwald überlebten. POEMA wurde von der Associaçao hier, zu der rund 150 Menschen gehören, und die gemeinsam vor allem Früchte vermarkten, um Unterstützung angefragt für den Bau eines kleinen Hauses zur Verarbeitung der Früchte zu einer Art Fruchtmus. Gefroren kann die Polpa konserviert werden. Es werden vor allem Assai, eine heimische Palme, an deren Rispen traubengroße Beeren mit Kern wachsen, sehr vitasminhaltig, aber auch alle möglichen anderen Früchte verarbeitet.

Das Haus ist fertig, ein Probelauf hat auch schon stattgefunden und die notwendige Zertifizierung ist bis auf eine Unterschrift abgeschlossen. Mit dieser kann die Associaçao ihre Früchte auch im Rahmen der Schulspeisung verkaufen. Die von der Regierung finanzierte Schulspeisung war während der Regierung Bolsonaro ausgesetzt und wird jetzt wieder aufgenommen. Das hilft den SchülerInnen und den Kleinbauern, die dadurch eine gesicherte Abnahme ihrer Produkte haben. Auf dem Weg kamen wir an einer Fazenda vorbei mit einem rießigen Festzelt, wo der Beginn der Sojaernte gefeiert wurde. Rund um Santarem wird viel Soja angebaut von der Agrarindustrie. Für Kleinbauern ist das nicht nur unökonomisch, sie werden auch hier von den Fazenderos vertrieben.

Am Nachmittag besuchten wir dann Padre Edilberto, der hier in Santarem seit vielen Jahren ein Radio für die Kleinbauern betreibt, aktiv im Widerstand gegen die Sojagrossverladestation von Cargil, gegen die geplanten Wasserkraftwerke am Tapjos war und immer schon auf der Seite der sozialen Bewegungen stand. Mittlerweil ist aus der einen Radiostation ein ganzes Netzwerk mit 17 Sendestationen in ganz Amazonien geworden, das täglich 30 Minuten Nachrichten zu Umweltthemen sendet. Am Wochenende gibt es einen größeren Sendeblock mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten.

Das ganze ist nichtkommerziell und überlebt nur durch einzelne Projektfinanzierungen. Empfangen wurden wir von vier jungen Frauen, die die eigentlichen Programmmacherinnen sind. Sie wurden über einen Kurs der Deutschen Welle ausgebildet. Auch sie erhalten nur eine Vergütung, wenn es entsprechende Projekte gibt. Dieses Netzwerk "Rede de Noticias da Amazonia" hat in diesem Jahr 15-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass soll es eine Konferenz aller Sender geben, auf der die weitere Zukunft geplant werden soll. Außerdem soll Edilberto als Präsident abgelöst werden, mit 80 Jahren will er die Verantwortung jetzt weitergeben. Wir werden um finanzielle Unterstützung für die Konferenz gebeten. Dass die Radios für die Kleinbauern eine ganz wichtige Informationsquelle sind steht außer Frage. Wir werden auch die Katholiken in Deutschland um Unterstützung bitten.

Santarem, 10. März 2023

Heute Nachmittag bin ich in Santarem am Zusammenfluss des Rio Tapajos un des Amazonas angekommen. Unser langjähriger Partner Wolfgang, der hier mit einer Brasilianerin verheiratet ist, hat mit abgeholt und gleich zum ersten Termin gebracht, den Müllsammlern von Santarem. Wir treffen sie auf der Müllhalde, wo täglich 17 Müllwagen mit dem gesamten Müll der Stadt ankommen. Der Gestank von Abfall ist sehr präsent und es flattern überall Urubu, eine hier heimische Geierart, herum. Wir werden von der Präsidentin der Cooperative der Müllsammler, Mariana, empfangen. Der Job der Müllsammler besteht im wesentlichen darin wiederverwertbares auszusortieren.

Im wesentlichen sind das verschiedene Plastikmaterialien, Papier und Kartonagen.Diese werden dann zu Ballen gepresst und an Firmen zur Wiederverwertung verkauft. Im Moment arbeiten rund 35 Menschen hier. Die Cooperative kann ihren ArbeiterInnen nicht annähernd den gesetzlichen Mindestlohn (1320 R$) bezahhlen. Der Lohn hängt davon ab, was die Cooperative für Plastik oder Papier erhält, und da sind die Preis gerade sehr schlecht. Das bedeutet, das der Lohn hier nur 400 - 500 R$ beträgt bei 8 Stunden Arbeit. Wie man davon leben kann, weiss ich auch nicht. Im letzten Jahr gab es hier einen Brand, bei dem vor allem zwei Pressen und andere Maschinen und Werkzeuge zerstört wurden. Eine Versicherung kann sich die Cooperative nicht leisten.

Über Wolfgang wurde bei POEMA angefragt, ob wir helfen können. Wir haben die Finanzierung einer gebrauchten hydraulischen Presse übernommen. Natürlich gibt es noch weiteren Bedarf. Sie erhielten auch Unterstützung von der nationalen Vereinigung der Müllsammler. Aber es fehlt noch ein Schredder fürs Papier und eine Hebevorrichtung für die Ballen mit Kartonage, die über 300 Kg wiegen. Hier wird das Müllproblem auf die Ärmsten abgeladen, weil damit (bislang) kein Geld zu verdienen ist. Es ist eine Schade, aber bei uns ist es auch nicht viel besser. Es ist erschreckend diese Müllmengen zu sehen. Wir müssen die reduzieren, hier und bei uns!

Belem, 8. März 2023

In Kyraru ́y leben bislang nur drei Familien, es sollen aber noch mehr werden. Am Fluss hatten die Holzräuber eine Brücke gebaut über die das Hölz abtransportiert wurde. Die wurde von den Kaapor zerstört. Seit meinem letzten Besuch im Juli hat sich einiges getan. Die Hütten sind nicht mehr ganz so erbärmlich, weil sie jetzt Dächer mit Dachziegeln haben, was jetzt in der Regenzeit ein wichtiger Schutz ist. Gerade wird ein Brunnen gebohrt, was ein weisser Brasilianer mit einfachsten Werkzeugen gerade erledigt. Wir warten nach dem Frühstück auf weiter Mitglieder des Conselho, mit denen heute über die weitere Unterstützung in diesem Jahr gesprochen werden soll. Letztendlich sind von den derzeit sechs Mitgliedern des Conselho nur twei weitere neben Itahu anwesend, eine ist gerade mit einem kranken Kind in Belem, ein anderer wurde krank und der Dritte hat Transportprobleme. Vorab geht es um die Abrechnung der Maßnahmen der letzten beiden Jahre.

Verständlicherweise fällt es den Kaapor schwer eine Abrechnung auf dem Niveau der deutschen Buchhaltung zu erstellen. Sie haben aber jetzt die Unterstützung einer professionellen Buchhalterin in Belem gefunden und für die beiden letzten Jahre die Berichte erstellt. Ich werde sie in Belem erhalten. Wir haben prinzipiell großes Vertrauen in die Kaapor. Bei den meisten Projekten handelt es sich um Wasseranlagen, die wir alle vor Ort gesehen haben. Etwas schwieriger ist es bei den Bildungsmaßnahmen. Ich bin auf die Bericht gespannt. In diesem Jahr soll mehr im Berich Bildung stattfinden. Die Kaapor hoffen auf unsere Unterstützunmg und werden uns dazu demnächst Kostenvorschläge machen. Sie haben natürlich auch die Hoffnung, dass die neue Regierung hier wieder mehr für die Indigenen tun wird, ader das wird noch etwas dauern. Sie bedanken sich ausdrücklich für die zuverlässige Unterstützung von POEMA.

Ein weiteres Thema sind die kriminellen Handlungen unter denen die Kaapor in den letzten Jahren zu leiden hatten. Es gab mehrere Tötungsdelikte und illegeale Eingriffe in ihrem Territorium, die bislang weder anerkannt noch geahndet wurden. Hier hoffen sie auf juristische Klärung, was aber auch mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand verbunden ist. Wir werden sehen, was hier von unserer Seite möglich ist. Schon am Abend gab es eine zuerst unbemarkte , danach aber um so unangenehmere Attacke von kleinsten Biestern Mucuim werden sie hier genannt, die mich, wo immer sie meine Haut erreichen konnten, in ein Streuselkuchenmonster verwandelt haben. Die Repelente, die wir zum Schutz aufgetragen hatten, zeigten keinerlei Wirkung.

Wir besuchten noch ein weiteres kleines Dorf. Dort war die Solarpumpe defekt, verrostete Kontakte, und wurde zur Reperatur mitgenommen. Danach ging es zurück nach Präsidente Medici ins HAus der Kaapor. Bevor wir dort die Hängematten aufsuchten gab es noch einen Besuch in der in der Nachbarschaft angesiedelten Landwirschaftschule, die von einer Art Laienbruderschaft (La Salle) im Sinne von Paulo Frere, dem fortschrittlichen Pädagogen, betrieben wird. Es war gerade eine Art Vollversammlung und wir, die Kaapor, Paulinho und POEMA durften uns vorstellen. Die Jugendlichen machen hier eine dreijährige Ausbildung und sind hier wechselweise für einen halben Monat um dann wieder für einen halben Monat zuhause in die Praxis zu gehen. Die Nacht haben leider mehrere Moskitos benutzt um ihren KollegInnen Mucuim Konkurrenz auf Kosten meines Schlafes zu machen. Jetzt bin ich erst Mal wieder in Belem und werde mich etwas pflegen und heute nachmittag die Aktivitäten zum internationalen Frauentag hier beobachten.

Kyraru ́y, 6. März 2023

In Ywya hu renda leben rund 20 Familien und mehr als hundert Personen. Das Dorf existiert seit siebeb, acht Jahren und POEMA hat ein Wassersystem mit Brunnen, Solarpumpe und Verteilersystem finanziert, das jetzt schon mehrere Jahre problemlos funktioniert und gutes Wasser liefert. Heute wurde nach dem Frühstück, Cafe, Macaxera und Maisbrei, die Pumpe gereinigt und die Kontakte für die Stromversorgung vom Rost befreit.

Das einzige Werkzeug dafür war ein größeres Messer mit dem der Sohn von Sarapo, dem Mitglied des Conselho, der letztes Jahr vergiftet wurde, geschickt und kenntnisreich die Arbeit erledigte. Die Stimmung im Dorf ist gut. Alle wissen um den Regierungswechsel und dass es jetzt eine Ministerin für Indigene Angelegenheiten gibt, Soja Guajajara, die hier aus der Gegend kommt. Auch das die Funai nicht mehr von einem Militär geleitet wird, sondern auch von einer Indigenen macht ihnen Hoffnung.

Noch gibt es keine spürbaren praktischen Veränderungen in ihrem Alltag, aber die unmittelbaren Bedrohungen scheinen weniger geworden zu sein. Bei den Kaapor gab es in den letzten Wochen keine Übergriffe von Holzräubern und Goldsuchern. Auch der Plan eines Firmenkonsortiums im Gebiet der Kaapor Bergbau zu betreiben ist im Moment kein Thema. Hier ist auch die Ernährung gesichert, die Erträge aus dem Anbau von Maiok, Früchten und Gemüse sind ausreichend und es gibt genügend Wild zu jagen. Was mir auffällt ist, dass die Kenntnisse in portugisisch eher bescheiden sind. Es gibt eine Schulhütte und einen Kaapor-Lehrer. Die Kinder lernen zuerst lesen und schreiben in ihrer Sprache.

Da sie wenig Kontakt in die weisse Welt haben fehlt auch vielen Erwachsenen die Sprachkenntnis in portugisisch. Diese Jahr sollen mehrere Bildungskurse stattfinden wo schwerpunktmäßig die eigen Kultur aber auch portugisisch Thema sein soll. Spätnachmittags, nach vielen Gesprächen, fahren wir weiter und erreichen nach mehreren Stunden wieder bei Dunkelheit das Dorf Kyraru ́y, das Anfang letzten Jahres zum Schutz vor Eindringlingen gegründet wurde. Nach der langen Fahrt nahmen wir bei Vollmond noch ein erfrischendes Bad im Fluss. Allerdings war dazu ein längerer Fussmarsch nötig, so dass ich zurück im Dorf wieder schweissgebadet war.

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Ywya hu renda, 4. März 2023

Gestern abend war ich noch auf Einladung von Padre Paulinho bei einem ökomenischen Gottesdienst, für mich als "Nichtgläubigen" mit katholischen Wurzeln eine ungewöhnliche Erfahrung. Es waren knapp hundert Menschen da, überwiegend aus den sozialen Bewegung Belems. Überraschenderweise auch ein Jurist des MST, den wir bei der letzten Reise noch als Frau kennengelernt haben. Er spielte Gitarre in einer kleine Band , es wurde viele gesungen und sozialkritische Texte vorgetragen. Heute früh um sechs Uhr wurde ich pünktlich von Paulinho mit seinem Polo abgeholt. Am Rande von Belem stieß dann Jose zu uns. Bis zu Grenze des Bundesstaates Para ist die Bundesstraße, die einzige Verbindung Richtung Süden, Sao Paulo, in akzeptablen Zustand. Im Maranhao, dem Bundesstaat, in dem sich das Reservat dere Kaapor befindet, ist die Straße eine Abfolge von Löchern, die immer wieder zu Schritttempo zwingt. Früher war hier alles Regenwald, jetzt gibt es quasi nur noch Weideland.

Spät nachmittags kamen wir nach rund 700 Kilometern in Präsidente Medici an, einer kleinen Stadt, in der der Conselho der Kaapor ein kleines Haus gemietet hat. Es dient als Treffpunkt und Übernachtungsmöglichkeit für die Kaapor, da die Entfernungen zu den Dörfern im Reservat rießig sind. Wir wurden schon von Itahu erwartet. Wir wechselten das Fahrzeug, weil die Fahrt ins Reservat nur mit einem Allrad möglich ist. Der Allrad ist eine gemeinsame Spende von "Rettet den Regenwald" imd POEMA. Es gibt jetzt neben Itahu zwei weitere Kaapor, die ihn fahren können. Wir hatten unterwegs noch grüßere Mengen an Grundnahrungsmittreln eingekauft, weil die neuen Dörfer, die zum Schutz des Reservates in den letzten zwei Jahren entstanden sind sich noch nicht selbst versorgen können. Der Weg zu den Dörfern ist immer wieder abenteuerlich. Und wieder kamen wir erst bei Dunkelheit in Ywya hu renda an. Der Empfang war herzlich und ich erkannte einige Gesichter von den letzten Besuchen. Im Schein der Solarlampen, die immer wieder sehr hilfreich sind, es gibt hier keinen Strom, die Leitungen enden reglmäßig an den Reservatsgrenzen, wurden die Hängematten präpariert und es kehrte Ruhe ein.

Belem, 2. März 2023

Dienstag Nacht bin ich hier in Belem gut angekommen. Der Temperaturunterschied zum kalten Deutschland war auch um Mitternacht noch extrem. Gestern konnte ich dann ausschlafen. Nachmittags habe ich Jane, die Verantwortliche für den Bundesstaat Para vom MST, der Landlosenbewegung, getroffen. Bei der Fahrt zum Treffpunkt hatte ich einen Bolsonaro-Fan als Taxifahrer, der für mich sein Handy nach dem größten Dieb der Welt befragte. Die Antwort war "Lula". Also scheint die Stimmung hier weiter sehr zweigespalten zu sein. Für Jane war diese Aussage kein Wunder. Taxifahrer, Kleinunternehmer sind nicht auf der Seite der Demokratie, meinte sie. Wir trafen uns im "Amarzem do Campo", einem Haus, das als Treffpunkt und Veranstaltungsort für den MST mit Spendengeldern von POEMA renoviert wurde. Geplant ist auch ein Verkaufsraum für Produkte, die auf den vom MST besetzten Gebieten erzeugt werden (Gemüse, Reis, Mais, Honig etc.). Dafür fehlt aber noch einiges an Ausstattung wie Kühlschränke, Theke und Mobiliar. Auch ein Cafe ist geplant. Längerfristig ist ein täglicher Betrieb vorgesehen. Bis jetzt finden hier Treffen von Frauengruppen, verschieden Workshops, Besprechungen und ähnliches statt, und es wurden immer wieder Lebensmittel verteilt. Im Mai soll mit dem regelmäßigen Verkauf von Lebensmitteln schrittweise begonnen werden. Jane fragt, ob POEMA für diesen nächsten Schritt noch einmal Hilfe zur Verfügung stellen kann. Sinnvoll ist das in jedem Fall.

Der Bedarf an preiswerten Lebensmittel ist enorm. Quasi die Hälfte der Bevölkerung hat keinen oder nur einen prekären Job. Gleichzeitig erhalten die bestehenden Ansiedlungen Zugang zum Markt in Belem mit ihren Produkten, die ohne Einsatz von Agrotoxen angebaut werden. Am Freitag werde ich frühmorgens mit Padre Paulinho und Jose, unserem Kontakt zu den Kaapor, nach Maranhao aufbrechen. Wir werden die Kaapor besuchen und mit dem Conselho do Kaapor über unsere weiter Zusammenarbeit sprechen. Jetzt in der Regenzeit, und es regnet gerade mehr als üblich, ist unklar welche Dörfer wir besuchen können. Trotz des Regierungswechsels ist die Lage in den indigenen Gebieten immer noch sehr angespannt. Es gibt regelmäßig gewaltsame Übergriffe. Erst letzte Woche wurde ein junger Indigener bei den Gujajara,einem Nachbarstamm der Kaapor, schwer verletzt. Und auch die Kaapor berichten von andauernden Bedrohungen. Ich bin gespannt, was wir vor Ort vorfinden.