POEMAdeutschland

Armut und Umwelt in Amazonien

Reisebericht 2022

Von Johann Graf

Mosqueiro, 19. Juli 2022

Unsere Reise neigt sich dem Ende zu. Wir sind jetzt auf der Insel Mosqueiro im Hotel Farol, das auf eine fast hundertjährige Tradition zurückblickt. Ein bischen Erholung und Ruhe bevor wir am Samstag den Rückflug antreten. Wobei, mit der Ruhe ist das nicht so einfach. Die Brasilianer, die hier Urlaub machen oder ihre Freizeit verbringen, lieben lautstarke Musik. Am Wochenende sind die Strände überfüllt und alle paar Meter brüllt eine Lautsprecheranlage schreckliche bassbetonte "Musik" in die Landschaft. Erst weit nach Mitternacht wird es ruhiger. Wir sind froh, dass das Farol ganz am Ende des Strandes in einer etwas ruhigeren Zone liegt. Und wir geniesen es hier< verweilen zu können.>

Wir haben ein Land erlebt, dass schwer unter der Last eines Präsidenten zu leiden hat, der nur seine eigene rechtsradikale Agenda verfolgt. Die Armut ist in allen Ecken sichtbar und der Hunger allgegenwärtiges Thema. Die Zerstörung des Regenwaldes, die Gier nach dem Gold, dem Holz und dem vermeintlich schnellen Reichtum beherrscht das Land. Bei den Wajapi ist das Reservat noch intakt, aber die Minengesellschaften lauern schon. Wir haben die tiefe Trauer der Kaapor über den Tod von Sarapo, der mit großer Wahrscheinlichkeit wegen seines Engagements für die Rechte seines Volkes vergiftet wurde, erlebt. Die Bedrohung durch die Holzmafia und die Minengesellschaften waren auch für uns spürbar. Wir sind beeindruckt von der Arbeit der Landlosen des MST. Sie bebauen das Land auf nachhaltige Weise und haben während der Pandemie durch ihre Lebensmittelspenden vielen in Not geholfen. Das gilt auch für die Freunde von Xingu Vivo. Wir sind froh, dass wir all diese Menschen mit den Spenden von POEMA unterstützen und oft eine neue Perspektive eröffnen können. Alle hoffen auf die Veränderung durch die Neuwahl im Oktober. Aber alle sehen, dass auch nach einer Abwahl Bolsonaros es nicht einfach sein wird den Regenwald zu schützen, die Armut zurückzudrängen und eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, das Gift der Rechten zu neutralisieren, das ist die große Aufgabe vor der das Land steht. Mit unseren Möglichkeiten wollen wir unseren Freunden hier dabei zur Seite stehen.

Cameta, 15. Juli 2022

Von Belem aus fährt man rund 4 Stunden mit dem Bus bis zum Rio Tocantins. Dort steigt man in die Fähre um und ist in 20 Minuten auf der anderen Flussseite und in Cameta. Bena erwartete uns gestern nachmittag schon und mit Motorradtaxis ging es ins Hotel und dann gleich zum Bischofssitz zur Besprechung. POEMA hat hier seit einigen Jahren eine Partnerschaft mit der Diözese. Es geht dabei um Wiederaufforstungsprojekte in verschiedenen Dörfern entlang der Straße nach Tucurui. Die Diözese organisiert die einzelnen Projekte, und vor allem berät sie die Gemeinden in allen Fragen der Wiederaufforstung. POEMA stellt im wesentlichen die notwendigen Mittel zur Verfügung. An der Besprechung nimmt neben Jaime, der für die Organisation zuständig ist, Nilma, eine junge Agraringeneurin, die einen sehr kompetenten Eindruck macht, Bena und Padre Denis als Vertreter des Bischofs teil.

Wir brechen am nächsten Morgen gegen 7 Uhr auf. Die Stadt ist schon sehr lebendig. Hunderte von Motorrädern sind unterwegs. Die Straße nach Tucurui ist nur ein kurzes Stück asfaltiert, dann wird es staubig. Nach einer starken Stunde sind wir in Novo America. Hier erwarten uns etliche Familien in der Gemeindehalle mit einem Frühstücksbuffet. Es gibt alle Arten von Sucos, Macaxerakuchen, Früchte frisch vom Feld, Tapioka, Cafes und vieles mehr. Wir wurden äußerst freundlich empfangen. POEMA hat hier vor vielen Jahren ein Trinkwasserssystem installiert und aktuell beteiligen sich 25 Familien an der Wiederaufforstung.

Dabei erhält jede beteiligte Familie die notwendige Ausrüstung für die Bewässerung von einem Hektar Land inklusive der dafür notwendigen Pflanzen. Dabei werden Nutzpflanzen mit schattenspendenden Bäumen gemeinsam angepflanzt, also Acai, Kakao, afrikanische Zeder, Bananenstauden, Pfeffer, Kaffee, Ananas, Manjok und vieles mehr. Nach dem Frühstück werden wir in verschiedenen Pflanzungen herumgeführt. Die Bauern sind sichtlich stolz auf ihre Erfolge. In der Tat ist es beeindruckend, was seit unserem letzten Besuch vor knapp drei Jahren hier gewachsen ist. Es sind kleine Nutzwälder entstanden und die Kleinbauern betonen, dass ihre Erträge deutlich gestiegen sind und sie ein gutes Auskommen haben. Davon profitieren wir unmittelbar beim reichlichen Mittagessen, das wir gemeinsam einnehmen.

Danach geht es weiter nach Melancial. Der Weg dort hin ist grotten schlecht. Wir können weite Strecken nur im Schrittempo fahren und es zieht sich über eine Stunde lang, bis wir endlich dort sind. Auch hier haben wir vor vielen Jahren ein Trinkwassersystem installiert, das immer noch funktioniert. Jetzt wollen hier fünf Familien mit der Wiederaufforstung starten. Die ersten Arbeiten sind schon in Angriff genommen, die notwendigen Pflanzen sind angeschafft oder die Setzlige werden noch gezogen. Die Flächen sind abgesteckt und müssen jetzt noch vom Gestrüpp und Unterholz befreit werden, was bei der Hitze eine anstrengende und schweisstreibende Arbeit ist.

In der Besprechung gibt es noch etliche Fragen. Für die Beteiligten ist die Begleitung durch Nilma, die Agrarexpertin wichtig. Sie haben keine Erfahrungen mit Bewässerungssystemen und auch das Nichtabbrennen vor einer Neubepflanzung ist für sie fremd. Nilma wird in den nächsten Wochen immer wieder vor Ort sein, Schulungen durchführen und die Menschen bei der praktischen Arbeit unterstützen. Immerhin kennen sie hier das positive Beispiel von Novo America, was ihnen die Hoffnung gibt, ähnlich gute Ergebnisse zu erzielen.

Belem, 13. Juli 2022

Gestern sollten wir ein weiteres Assentamento der Landlosenbewegung MST besuchen. Das wurde leider abgesagt, weil unsere Begleiter kurzfristig nach Maranhao mussten. Dafür haben wir Padre Paulinho getroffen vom Orden Oblatos. Er ist mittlerweile fast 80 Jahre alt und hat hier in Amazonien viele Jahre an der Seite der Armen und Rechtlosen gekämpft. Er hat uns schon öfter zu den Kaapor begleitet. Sein Humor und seine Lebensfreude sind immer wieder erfrischend. Er ist überzeugt, das Lula die Wahl gewinnen wird, aber er sagt auch, dass es schwer wird das Gift Bolsonaros wieder aus der Gesellschaft heraus zu bekommen. Er betont auch, wie wichtig es ist, dass die internationale Gemeinschaft wahrnimmt, was hier an Verbrechen geschieht. Er ist froh, dass wir hier sind und hofft, dass POEMA hier in Amazonien präsent bleibt.

Eigentlich war vereinbart, dass wir heute zum Busbahnhof kommen um von dort auf die Insel Mosqueiro zum Assentamento Mártires de abril zu fahren. Aber dann wurden wir überraschenderweise doch am Hotel abgeholt. Mosqueiro liegt direkt am Meer, vielleicht 50 Kilometer von Belem entfernt. Wir erhalten erst eine kleine Rundfahrt entlang der tropischen Strände, dann biegen wir in die Assentamento ein. Sie wurde vor über 23 Jahren gegründet. Hier lebten teilweise über 90 Familien. Dona Eda, eine kleine ältere Dame leite das kleine Bildungszentrum. Sie informiert uns über die Geschichte des Assentamento und führt uns durch ihren großen Garten, der auch zu Ausbildungszwecken genutzt wird. Sie haben seit einiger Zeit komplett auf ökologischen Anbau umgestellt. Ihr Mann wurde vor 10 Jahren bei Auseinandersetzungen um Land getötet. Mittlerweile ist hier die Besitzfrage geklärt. Gerade findet ein Kurs über den Unterschied zwischen industriell produzierten Lebensmittel und ökologischen mit einer Gruppe von 12 Frauen statt. Auf dem Rückweg kaufen wir noch unsere Tickets für die morgige Fahrt nach Cameta, wo wir unsere alte Freundin Bena treffen und unser Projekt zur wiederaufforstung besuchen werden.

Altamira, 10. Juli 2022

Heute morgen mussten wir quasi nur über die Strasse und ins Boot einsteigen um auf dem Xingu zur Schule von Paratizao zu kommen. Die Uferfront hier in Altamira musste wegen Belo Monte neu gestaltet werden, viele Anwohner wurden wegen des aufgestauten Wassers, und des damit verbundenen höheren Pegels, umgesiedelt. Direkt um Altamira sind keine unmittelbaren Auswirkungen des Staudamms zu sehen. Aber nach einigen Kilometern ragen überall tote Bäume aus dem Wasser, was dem wunderbaren Fluss ein trostloses Aussehen gibt. Die Schule in Paratizao ist eine bessere Baracke. Das Verrückte ist, hier in unmittelbarer Nähe des rießigen Wasserkraftwerkes Belo Monte gibt es für die Menschen keinen Strom, ereifert sich Fernando, der hier wohnt, und der Sprecher der Fischer ist. Die mit Spenden von POEMA finanzierten Solarpanele sind schon längere Zeit auf dem Dach der Schule installiert. "Infelizemente" hat die Prefeitura noch niemand geschickt, der die Anlage einrichtet. Und eigentlich müsste eine neue Schule gebaut werden, weil für die jetzt über 60 SchülerInnen ist sie viel zu klein.

Fernando redet sich richtig in Rage. Vor Belo Monte hatte er als Fischer über viele Jahre sein Auskommen. Jetzt fangen sie nicht mal genug Fische für den Eigenbedarf. Durch das Stauwehr sind die alten "Wanderwege" der Fische gekappt. Die ehemaligen Fischer müssen heute als Kleinbauern ihren Lebensunterhalt sichern. Aber dafür wird ihnen der Zugang zu dem dafür notwendigen Land verwehrt, obwohl Electro-norte, der Betreiber von Belo Monte, zu einem entsprechenden Ausgleich verpflichtet wäre. Die Pandemie haben sie hier etwas besser überlebt, als die Menschen in der Stadt, es gab nur wenige Erkrankungen. "wir sind immer an der frischen Luft und sitzen nicht so eng aufeinander." Auch ihre Hoffnung ist der Regierungswechsel zum Ende des Jahres. Aber auch sie sind zurückhaltend, es waren ja auch die Regierungen von Lula und Dilma, die Belo Monte verbrochen haben. Aber mit Bolsonaro und seiner Mafia wollen sie nichts zu tun haben.

Altamira, 9. Juli 2022

Wir sind gestern am frühen Nachmittag in Altamira angekommen. Elena und Raimundo von Xingu vivo holten uns am Flughafen ab. Unsere Unterkunft, ein kleines Hotel, ist direkt am Xingu. Wir sind beide etwas erkältet von den häufigen Wechsel zwischen vollklimatisiert und der Hitze Amazoniens. Heute Morgen wurden wir um 9 Uhr von Antonia, Elena und Raimundo abgeholt. Xingu Vivo hat ein kleines Anwesen, etwa 12 Kilometer außerhalb von Altamira, vermacht bekommen. Mit Hilfe der Spender von POEMA konnte es renoviert werden und wird jetzt als Ausbildungszentrum und für Besprechungen und sonstige Aktivitäten gentuzt. Tatsächlich ist es eine kleine Oase mit einem Garten und von Bäumen umgeben. Es können hier auch problemlos 20 Personen übernachten.

Dieser friedliche Ort steht im krassen Gegensatz zu dem was Antonia und Elena über die aktuelle Situation hier am Xingu berichten. Auch hier ist das zentrale Thema der Hunger, der während der Pandemie angewachsen ist. Auch sie haben immer wieder Lebensmittelkisten mit dem Notwendigsten an die Armen verteilt. Das sind hier die Riberinhos, die ehemaligen Fischer, diejenigen, die nach der Fertigstellung des Megastaudamms Belo Monte hier als Arbeitslose hängen geblieben sind. Alles ist hier extrem teuer geworden. Häusliche Gewalt und Drogenkriminalität haben zugenommen,Menschenrechte werden massiv missachtet. Es gibt einen kleinen Erfolg, weil die kanadische Minengesellschaft Belosun hier durch einen Gerichsbeschluss vorläufig kein Gold abbauen darf. Die gleiche Minengesellschaft hat mittels Korruption Land gekauft, was gesetzlich verboten ist, aber sie wird von einem Senator geschützt. Auch das wird versucht auf dem Klageweg mit Hilfe von Xingu vivo rückgängig zu machen.
Wir haben bei all den schlechten Nachrichten einen angenehmen Tag in diesem kleinen Paradies. Wir sind froh, das die Menschen von Xingu vivo hier einen guten Platz für ihre Arbeit gefunden haben. Jetzt fehlt noch ein kleiner Anbau für eine Küche, die nötig ist, wenn hier Gruppen versorgt werden müssen. Am späten Nachmittag kommt tatsächlich noch eine kleine Affenherde über die Bäume vorbei.

Belem, 7. Juli 2022

Gestern abend sind wir nach einer langen und holprigen Fahrt wieder in Belem angekommen. Der Abschied bei den Kaapor war herzlich. In Ararorenda, dem Dorf von Sarapo, war der Schock über den Tod immer spürbar. Sarapo war einer der aktivsten Anführer, er war gebildet, mutig und er war einer, der sich mit seiner ganzen Kraft für den Schutz ihres Gebietes, für den Erhalt ihrer Art zu leben eingesetzt Uhr hat. Das war im Dorf, in den Gesprächen mit seinen Angehörigen deutlich spürbar. Seine Frau Ombee zeigte uns die Pflanzungen, die er angelegt hat. Das Schutzgebiet Ararorenda gibt es erst etwas über zwei Jahre und man spürt den Kraftakt, den es gekostet hat, sich hier niederzulassen. Hier, wo die Auseinandersetzung mit Holzräubern und anderen Invasoren zum Alltag gehören. Dies, obwohl es sich um ein Gebiet handelt, das ausdrücklich unter dem Schutz der brasilianischen Verfassung steht. Die Kaapor schützen mit ihrem Kampf den letzten Regenwald hier im Bundesstaat Maranhao. Wir werden sie mit unseren Möglichkeiten dabei unterstützen.

Unsere Zeit bei den Indigenen ist für diese Reise damit zu Ende. Wir werden morgen nach Altamira an den Xingu fliegen und Antonia Melo und die Freunde von Xingu vivo besuchen. Sie haben jahrelang gegen das Monsterprojekt Bel Monte gekämpft, das zu einer Umweltzerstörung und zum Verlust von indigenem Land in unglaublicher Dimension geführt hat. Belo Monte ist zwar im Betrieb, aber mit all den vorhergesagten Schäden und Mängeln. Xingu vivo unterstützt heute die Opfer von Belo Monte und versucht weitere Schäden zu verhindern. Wir sind gespannt was uns erwartet. Danach besuchen wir eine weitere Ansiedlung der Landlosenbewegung und sind noch in Cameta bei unseren Wiederaufforstungsprojekten.

Ararorenda, area de protecao, 5. Juli 2022

Wir sind hier im Dorf von Sarapo, dem mutmasslich vergifteten Mitglied des Conselho der Kaapor. Wir sind gestern von Santa Teresa hergefahren. Die Nacht haben wir im Hotel do povo verbracht, wo wir heftig von Moskitos bearbeitet wurden. Dafür kümmerte sich die alte Dame des Hauses um unser leibliches Wohl mit reichlich lokaler Kost und köstlich kühlem Bier. Bei der Fahrt über die bekannt schlechten Wege passierten wir auch kurz vor dem Gebiet der Kaapor das Haus des Verdächtigen. Es steht seit dem Tod von Sarapo leer. Wir besuchten noch sein Grab, von wo aus dieses Haus gut zu sehen ist. Mit dem Wagen kamen wir nur bis knapp vor das Dorf, wegen des Regens war das letzte Stück des Weges nicht befahrbar. Mitten auf dem Dorfplatz waren noch die Umrisse von Sarapos Hütte zu sehen. Sie wurde abgebaut, darin will niemand mehr wohnen. Ombe, seine Frau, seine sechs Kinder und mittlerweile sechs Enkel leben hier seit drei Jahren mit einer weiteren Familie. Sie haben alles mögliche hier angebaut, sogar Reis und können sich weitgehend selbstversorgen.

Nachmittags gab es eine Besprechung der anwesenden Mitglieder des Conselho. Es ging dabei um ihre weiter Arbeit, um geplante Bildungsveranstaltungen und welche Unterstützung die verschiedenen Schutzgebiete aktuell benötigen. Danach sollten wir etwas über die Arbeit von POEMA erzählen. Die Partnerschaft mit dem Conselho der Kaapor besteht jetzt seit 2014. Wir haben sie vor allem bezüglich der notwendigen Infrastruktur der neu errichteten Schutzgebiete mit finanziellen Mittel ausgestattet, aber auch Bildungsveranstaltungen konnten mit der Hilfe unserer SpenderInnen finanziert werden. Das Hauptanliegen der Kaapor ist natürlich der Schutz ihres Landes. Da hoffen sie sehr auf unsere weiter Hilfe. Aktuell sind es nicht nur die Holzräuber. Die größte Gefahr geht von einem Konsortium von vier Minengesellschaften unter der Führung von Vale aus. Die Minengesellschaft Vale ist auch in Deutschland bekannt durch zwei schwerer Katastrophen in den letzten Jahren, bei denen Rückhaltebecken mit giftigem Schlamm gebrochen sind. Bei dem einen Unglück wurde der Rio Doce vergiftet. In einem Fall hat ein Ableger des TÜV Deutschlands noch wenige Monate zuvor die Sicherheit der Anlage bestätigt. Dieses Konsortium will im Land der Kaapor Erz abbauen. Die Befürchtung ist, dass, selbst wenn Bolsonaro abgewählt wird, was alle hier erhoffen, er in den verbleibenden Monaten ein Eindringen in indigene Gebiete noch ermöglicht.
Wir geniesen unsere letzten Tage bei den Indigenen hier am Rande des Regenwaldes, dieses einfache Leben, bei dem nicht der Konsum sondern das Leben in der Gemeinschaft im Vordergrund steht.

Santa Teresa, Maranhao, 4. Juli 2022

Es hat geklappt. Pünktlich um 7 Uhr holten uns die Kaapor ab. Dann die lange Fahrt Richtuing Süden. Aus Belem heraus kamen wir erstaunlich schnell. In Castanhal kauften wir Gemüse und Früchte, weil die in Maranhao noch teurer sind.Bis zur Grenze von Para war die Straße noch erträglich. In Maranhao war schon die Bundesstraße in einem verheerenden Zustand, rießige Schlaglöcher, teilweise sind ganze Abschnitte weggebrochen und nur im Schritttempo befahrbar. Wir erreichten Santa Teresa bei Einbruch der Dunkelheit. Hier haben die Kaapor ein kleines Haus gemietet, sehr rudimentär ausgestattet, es gibt quasi nur Haken für die Hängematten, in dem sie übernachten, wenn sie aus den Dörfern in die Stadt oder nach Belem müssen. Dann waren es noch mal über zwei Stunden auf einer Piste und es fing an zu regnen. Die letzten Kilometer bis zur Grenze des Gebiets der Kaapor waren abenteuerlich. Es ging nur sehr langsam, ein Weg war kaum noch zu erkennen und der Wagen setzte nicht nur einmal hart auf steinigem Untergrund auf. Rings um war tiefschwarze Nacht.

Dann ein kleines Licht in der Dunkelheit und wir waren da. Hundegebell, schemenhafte Gestalten und erste Begrüßung, wir ladden unsere Sachen aus. Ein Kaapor führt uns von den Hütten weg einen Weg aufwärts, wo eine weiter Hütte etwas abseits steht. Er hilft uns die Hängematten mit den Moskitonetzen aufzubauen, dann geht er und wir können uns dank der Solarlampen halbwegs einrichten. Noch mal zurück zu den Kaapor, weil wir uns noch waschen wollen. Wir werden einen Weg abwärts geführt zu einem kleinen Bach, der Waschstelle der Kaapor. Danach sind wir mehr als glücklich, als wir endlich in der Hängematte liegen.
Am Morgen sehen wir, das das Dorf Kyraru´y auf einem mehr oder weniger baumlosen Hügel liegt. Hier leben seit Januar vier Familien, etwa 20 Personen. Es ist eigentlich kein Dorf, sondern eine Ansiedlung zum Schutz der Grenze des Teritoriums der Kaapor. Sie kamen hier her, weil an dieser Stelle ein Zugang der Madereros (Holzräuber) war, deshalb ist hier auch alles abgeholzt. Die Brücke, über die das Holz abtransportiert wurde haben sie zerstört. Die abgeholze Fläche nutzen sie jetzt als Felder, wo sie schon Manjok, Mais, Bananen und mehr angebaut haben. Es wird aber noch eineinhalb Jahre dauern, bis sie sich selbst versorgen können. Solange sind sie auf Lebensmttelspenden, die der Conselho der Kaapor regelmäßig vorbeibringt, angewiesen.

Josejondijci, knapp 50 Jahre alt und Mitglied im Conselho, erzählt uns über ihren Alltag. Sie leben hier sehr bescheiden, wir würden sagen in Armut, und die Arbeit ist hart. Die neuen Hütten zu bauen, einige sind nur mit löchrigen Plastikplanen abgedeckt. Es gibt eine Wasserstelle, aber in der Trockenzeit, dem hiesigen Winter, brauchen sie einen Brunnen. Dafür bitten sie POEMA um Unterstützung. Ein Problem ist im Moment auch die Kommunikation. Im Notfall können sie nur mit einem Moped Hilfe holen. Das lässt sich aber relativ leicht lösen, weil es in der Nähe immer noch ein Signal einer Telefongesellschaft gibt, und es bedarf nur eines kleinen Gerätes. Wir erhalten quasi einen kleinen Vortrag über die Geschichte der letzten Jahre. Das Reservat wurde schon während der Militärdiktatur eingerichtet. In dieser Zeit war die sogenannte Indianerschutzbehörde, die Funai, sehr präsent und hat großen Einfluss genommen im Sinne einer Anpassung an die "weiße" Welt. Dabei wurde ihre Tradition mißachtet und teilweise zerstört. Gleichzeit drangen. evangelikale Missionare aus den USA in ihr Gebiet ein und versuchten sie zu "bekehren". Fuktionäre der Funai arbeiteten mit Madereros zusammen und verkauften Holz aus dem Reservat. Erst ab 2003 begannen sich einige Gruppen der Kaapor zu wehren, verweigerten die Zusammenarbeit mit der Funai und verjagten diese schließlich aus dem Reservat. Es gibt aber eine Gruppe, die immer noch mit der Funai zusammenarbeitet und wohl auch gelegentlich illegalerweise Holz verkauft.

Mittlerweile haben die Kaapor entlang der langen Grenze ihres Gebietes ein Dutzend sogenannter Schutzgebiete an den gefährdeten Stellen, an denen Madereros eindringen könnten, eingerichtet. Dann erzählen sie die Geschichte von Sarapo. Er war einer der wichtigen Anführer im Coselho, ich war von seinem Auftreten und seiner Energie bei jedem Treffen beeindruckt. Er wurde in den letzten Monaten immer wieder bedroht, weil er sich in der hießigen Öffentlichkeit immer deutlich geäußert hat, dass sie sich gegen Madereros, aber auch gegen anderes Eindringen von Fremden in ihr Gebiet wehren werden. Er starb jetzt im Mai einen grausamen Tod, er wurde mit ziemlicher Sicherheit vergiftet. Er bekam von einem Anwohner an der Grenze des Reservats Fische geschenkt, was noch nie der Fall war, weil er mit dieser Person auch in der Vergangenheit schon Auseinandersetzungen wegen illegalen Eindringens ins Reservat hatte. Alle in seiner Familie haben von den Fischen probiert und sie wieder ausgspuckt, weil sie schlecht schmeckten. Sarapo liebte scharfes Essen und hat wohl reichlich Pimenta über den Fisch gestreut und so nichts von der Ungeniesmbarkeit gemerkt. In der Nacht spuckte er Blut und hatte Krämpfe und schrecklich Schmerzen und verstarb. Er wurde begraben, aber auf Druck der Kaapor und der Organisation für Menschenrechte hier in Maranhao wurde er wieder exhumiert und es wurden Proben aus dem Leichnam entnommen. Das Ergebnis liegt noch nicht vor, weil das Labor dafür in einem anderen Bundesstaat ist. Der Täter ist mittlerweile verschwunden. Sollte die Untersuchung den Verdacht bestätigen besteht die Hoffnung, dass der Täter vor Gericht gestellt wird. Sarapo ist leider nicht das erste Opfer der Kaapor im Konflikt um ihr Land.

Belem, 1. Juli 2022

Also, es ist alles anderst gekommen, wie geplant. Das Auto der Kaapor war nicht fertig, und so konnten wir Jahre anicht reisen. So haben wir unseren Besuch in einem Assentamento des MST vorgezogen. Aber wenn mal was schief geht, dann geht meistens noch mehr schief. Wir sollten eigentlich von Adolfo, dem Chef der PSOL, einer linken Abspaltung der PT, um die Mittagszeit abgeholt werden. Wir waren pünktlich bereit, wurden aber per Mail immer wieder vertöstet, es sei etwas dazwischen gekommen. Jane, die Chefin des MST kam persönlich vorbei, aber das half auch nicht. Um 20 Uhr war klar, wir haben heute umsonst gewartet. Gestern früh kam Jane erneut und tatsächlich kam Adolphe und holte uns ab. Dann führen wir in die Altstadt von Belem, hielten vor einem kleinen Häuschen, indem die Nonne Doroty Stang, die wegen ihres Einsatzes für die Kleinbauern ermordet worden war, gewohnt hat. Heute ist hier ein WG, in der unter der Woche auch Valeria wohnt. Bei ihr und ihrem Mann Filho werden wir im Assentamento "Roter April" übernachten.

Der "Rote April" ist rund anderthalb Autostunden von Belem entfernt. Ursprünglich waren die 10.000 Hektar eine Monokultur mit Dende-Palmen. Das Gelände wurde 2004 von den Aktivisten des MST besetzt. Der größte Teil ist jetzt ökologisch bebaut mit einer Mischbepflsnzung sller möglichen Früchte die hier Wachsen. Die Besetzung und deren Legalisierung nach mehrjährigen Kämpfen war möglich, weil die Dende-Plantage illegal auf öffentlichem Land entstanden war. Wir haben im Haus von Valeria und Filho zwei sehr angenehme und informative Tage verbracht. Filho hat mehr erklärt und gezeigt, als wir eigentlich fähig waren aufzunehmen. Wir hätten hier auch gerne länger bleiben können. Schon allein wegen der Ruhe und des viel erträglicheren Klimas im Vergleich zu Belem. Jetzt sind wir gerade wieder zurück in Belem und hoffen erneut, dass es morgen mit der Fahrt zu den Kaapor klappt.

Belem, 28. Juni 2022

Wir sind immer noch in Belem, weil der Wagen der Kaapor noch länger in der Werkstatt gebraucht hat. Außerdem ist die Rechnung mit 9.000 R$, rund 1.800 €, deutlich teurer als erwartet. Wahrscheinlich müssen wir akut helfen. Die Fahrt ins Reservat soll auf jeden Fall morgen früh um 6 Uhr losgehen.
Wir haben die letzten Tage zum Ausruhen genutzt, aber dass wir Belem genossen haben, kann man nicht sagen. Die Stadt ist laut, heiss und in einem, man kann es nicht anderst sagen, verwahrlosten Zustand. Der frühere Charme des Verfalls ist völlig dahin. Die Straßen sind in einem elenden Zustand, Gebäude verfallen und gleichzeitig entstehen immer mehr diese Hochhauswohngettos.

Die Armut hat spürbar zugenommen. Wenn man abends durch die Straßen läuft liegen überall Menschen auf den Gehwegen. Es gibt viele Bettler, die es in dieser Zahl in den Jahren vor Boslonaro nicht mehr gab. Gleichzeitig gibt es viele neue Autos und in den Docas, der Amüsiermeile am Fluss, drängen sich die Menschen. Genauso in den großen Einkauszentren, die sich vom Angebot und den Preisen kaum von unseren unterscheiden. Alles wird auf Pump gekauft, so haben wir den Eindruck, zumindest werden wir immer etwas komisch angeschaut, wenn wir mit der Karte nicht auf Kredit bezahlen. Wir sind froh, dass wir morgen wieder in die Natur fahren können.

Belem, 26. Juni 2022

Heute morgen waren wir bei den Freunden vom MST, der Organisation der Landlosen. Vereinbart war,dass wir ins „Armazém do campo“, dem neuen Haus, das mit Unterstützung von POEMA bezogen werden konnte. Das Haus befindet sich eine viertel Stunde vom historischen Zentrum entfernt in einer eher ruhigen Straße. Als wir vor dem Haus standen war unser erster Gedanke, das ist aber ein kleines Haus. Der Eindruck bestätigte sich nicht. Das Haus hat insgesamt zehn Räume und ist zwar etwas schmal, aber dafür zieht es sich ziemlich in die Länge. Die nächste Überraschungen war, das wir mit einem Gedicht und einem Lied von einer Gruppe von Aktiven des MST empfangen wurden. Unter ihnen waren auch Beatriz, quasi unsere Kontaktperson und Jani, sie vertritt im Bundesvorstand des MST den Bundesstaat Para. Dann erhielten wir eine umfassende Präsentation über die Geschichte und die Arbeit des MST hier in Para. Es gibt in Para 42 Territorien, die Hälfte davon sind Assentamentos, bei denen schon entsprechende juristische Verfahren eingeleitet sind, die andere Hälfte sind Acampamentos, Landbesetzungen, bei denen noch alles offen ist. Diese Territorien werden gemeinschaftlich bewirtschaftet ohne Einsatz von Agrotoxen und überwiegend im ökologischen Anbau.

Die Produktion dient in erster Linie der Selbstversorgung, sie werden aber auch vermarktet. Dazu sind die Armazém do Campo da. Das hiesige Haus ist von der Besitzerin, einer Freundin des MST, zur Nutzung überlassen. Die Spenden von POEMA wurden zur Renovierung verwendet, das Haus war in einem sehr schlechten Zustand, und die ist wirklich gelungen. Jetzt fehlen weitere Mittel um den Laden entsprechend einzurichten. Auch hier werden wir helfen. Der MST hat auch hier in Belem während der Pandemie kostenlose Lebensmittelverteilaktionen für die Notleidende Bevölkerung durchgeführt. Auch dies wird künftig hier im Armazém stattfinden. Dass es jetzt hier ein Haus gibt, in dem sich alle möglichen Gruppen treffen, Alphabetisierungskurse stattfinden, Kultur angeboten wird, hat den Aktiven einen spürbaren Motivationsschub gebracht. Wir sind beeindruckt und werden in der übernächsten Woche noch einige der Territiorien besuchen.

Nachmittags kamen dann Jose, Itahu und drei weitere Kaapor zu uns ins Hotel. Sie sind mit einem Kind nach Belem gekommen, das an der hiesigen Uniklinik wegen Verdacht auf Leukemie behandelt werden soll. Wir werden mit ihnen am Dienstag nach Maranhao ins Reservat der Kaapor fahren. Die größten Sorgen machenden Kaapor gerade vier Minengesellschaften, die in einem Interessensbekundungsverfahren erklärt haben auf dem Gebiet der Kaapor Erze abbauen zu wollen. Bislang ist noch nichts weiter passiert. Sollte Bolsonaro die Wahl im Oktober gewinnen ist mit dem Schlimmsten zu rechnen. Unter den vier Firmen ist neben Vale auch eine Kanadische. Außerdem sind in der Region viele Goldsucher unterwegs. Auch diese sind noch nicht im Reservat, aber der Druck steigt ständig. Die Kaapor haben deshalb zwei neu Areal do protecao an den Reservatsgrenzen gegründet, eine werden wir besuchen. Leider ist es wohl so, dass außer ihnen un den Guajajara, einem Nachbarstamm, die meisten anderen Indigenen in der Region in Lethargie versinken. So gibt es bislang wohl kaum Widerstand gegen den geplanten Neubau der Eisenbahnlinie nach Carajas, die durch mehrere indigene Gebiete führt.
Itahu ist froh, dass wir da sind. Sie erhalten keinerlei Unterstützung von staatlichen Stellen nur „Rettet den Regenwald“ und POEMA unterstützen sie. Gerade neuen Schutzgebiete und die dortigen neuen Dörfer können nur mit Hilfe von POEMA überleben. Wir sind gespannt auf die Erfahrungen im Reservat.

Macapa, 24. Juni 2022

Heute verlassen wir Macapa und fliegen über den Amazonas nach Belem. Wir hatten gestern einen Verschnauftag, der mit einem guten Frühstück mit Tapiokapfannkuchen und Cafe begann. Wir waren dann noch mal am Ufer des Amazonas, wo Brunhild auf Grund der Hitze erst mal bei einem Suco ausruhen musste. Zu Mittag trafen wir Verena, die hier als Umweltberaterin in verschiedenen Projekten tätig ist. Sie ist ziemlich sicher, das Bolsonaro im Oktober abgewählt wird. Sie hofft sogar darauf, dass dies im ersten Wahlgang geschehen wird. Sie meint seine Misswirtschaft sei überdeutlich. Im Bereich Umweltschutz, Ausbildung, Armutsbekämpfung sei das Land auf den Stand der achtziger Jahre zurückgefallen. Er könne keine positiven Ergebnisse vorweisen, nicht mal im Bereich der Ökonomie.

Abends waren wir bei Joao eingeladen. Er kocht seit vielen Jahren bei den Kursen in Aramira und ist ein ungemein freundlicher und liebenswerter Zeitgenosse. Auch wir wurden mit landestypischen Gerichten bekocht. Joao ist bezüglich der Wahl weniger euphorisch. Natürlich hofft auch er, dass dieses Monster verschwindet. Er meint aber, es könne durchaus knapp werden. Er hat in seiner Familie etliche fanatische Bolsonaro-Fans, die seien keinem Argument zugänglich. Er hat dann noch sehr plastisch über die katastrophalen Auswirkungen des dreiwöchigen Stromausfalles hier während der Pandemie berichtet. Die Menschen hungerten, die Hygienebedingungen waren wegen des Wassermangels katastrophal. Das einzig Gute war die große Solidarität der Menschen untereinander.

Macapa, 22. Juni 2022

Wir sind gerade wieder in Macapa angekommen.Gestern früh kam unser Boot in Aruwaity an. Eigentlich sollte es schon einen Tag früher da sein. Es war aber so, dass die jungen Wajapi noch mit dem Nachbardorf Wacuwa auf der Jagd waren und tatsächlich drei Porco di mato, Wildschweine erlegten und dann war es zu spät. So hatten wir noch einen geruhsamen Tag mit vielen Gesprächen. Der Abschied viel uns schwer, wir hatten uns hier fast wie Zuhause gefühlt. Die Menschen sind so liebenswürdig und ihre ruhige Lebensweise hat uns sehr beeindruckt. Wir sollen unbedingt wiederkommen.

Das Wiederholte sich dann in Wakuwa noch einmal. Es wurde uns Wildschwein gegrillt aufgetischt mit Beju, dem Manjokbrot der Wajapi. Rosenho, Marinau und Taima, die Witwe von Casiripina wollten uns gar nicht gehen lassen.
Dann ging es flussabwärts ohne allzugroße Hindernisse und am späten Nachmittag, nach einem kurzen aber heftigen Regenschauer, landeten wir in Pairakay. Auch dort hatten die Teilnehmer des Bienenkurses einen Tag zuvor erfolgreich Wildschweine gejagt. Cumare und Singau kümmerten sich um uns und es gab beim reichhaltigen Abendessen nocheinmal einen intensiven interkulturellen Austausch. Und wieder Abschied und Fragen, wann wir wiederkommen, verbunden mit der Bitte, das POEMA die Wajapi weiter unterstützen soll. Dann dre Stromschnellen, einmal das Boot über Land ziehen und wir waren in Aramira, wo schon der Wagen nach Macapa auf uns wartete. Caviripo, kommt wieder, was wir gerne versprechen.

Aruwaity, 20. Juni 2022

Heute Nacht hat es heftig geregnet. Dabei mussten wir feststellen, das das Dach unserer Hütte nicht dicht ist. Brunhild war die Leidtragende und wusste sich nur zu helfen indem sie unseren Regenschirm in der Hängematte und unter dem Moskito aufspannte. Als der Regen vorbei war war Brunhild überzeugt, dass ein Tier irgendwas an unseren Sachen anknabbert. Später meinte sie es auf dem Dach zu hören. Heute morgen war nichts festzustellen, vielleicht war es nur der Wind. Wir hatten gegen neun Uhr unsere Sachen gepackt, aber das Boot kam nicht. Keremeti verabschiedete sich, weil er sich noch um einige Kinder kümmern musste, die Grippesymptome hatten. Auch meine Ohr- oder Backenspeicheldrüse ist immer noch dick und entzündet und wir arbeiten weiter mit Rivanol.

Wir warteten, und kein Boot kam. Ursprünglich war geplant, dass wir heute bis Tapereba fahren und dort übernachten. Gegen Nachmittag bauten wir unsere Hängematten wieder auf, weil klar war , dass das nichts mehr wird. Das Problem hier in Aruwaity ist, dass es keine Kommunikationsmittel gibt. Der Funk ist schon lange kaputt und für das Internet steht nur die Satelitenschüssel. Wir haben dann noch mal Wajapi mit Siro gelernt, bekamen gegrillten Fisch, Trairao, geschenkt und gerade kurz vor Einbruch der Dunkelheit war das Boot zu hören. Jetzt werden wir morgen direkt bis Pairakay fahren, vielleicht sogar bis Aramira. Wir werden sehen. In jedem Fall hatten wir hier eine wunderschöne, ruhige Zeit. Wir wurden von den Dorfbewohnern mehr als freundlich behandelt. Wann wir wiederkommen, wird immer wieder gefragt.

Aruwaity, 19. Juni 2022

Heute ist unser letzter Tag hier und wir wurden reich beschenkt. Ich wurde mit einer leichten Schwellung an der Ohrspeicheldrüse wach, die aber mit Rivanolumschlägen in Schach gehalten wurde. Keremeti hatte schon angekündigt, das wir heute mit den Männer Flechtarbeiten der Wajapi kennenlernen würden. Und so saßen dann Siro, ein weiterer älterer Wajapi und einige Jüngere im Schatten und begannen eine Lianenart zu bearbeiten. Zuerst wurde zugeschnitten, dann geschält und die Lianen teilweise gespalten. Dann begann die Flechtarbeit. Dabei erhielten wir gleichzeitig Unterricht in Wajapi. Uvwe heißt Erde, Uvwa ist der Himmel, Jau ist der Mond, Quarau die Sonne, Jaetata die Sterne.

Wir machten auch noch die Anatomie durch, Eaka ist der Kopf und Epo ist die Hand, und dann waren auch noch die Verwandschaftsbeziehungen dran. Wir mussten die Wörter solange wiederholen, bis wir sie einigermaßen korrekt aussprechen konnten. Es war ein unterhaltsames Treiben. Am Ende erhielten wir einen größeren und einen kleineren Korb und zwei wunderbar kunstvolle Besen.

Aruwaity, 18. Juni 2022

In unserer Nachbarhütte ist ein zwei Monate altes Kind, das wir besuchen. Der kleine Wajapi ist trotz einer Erkältung ganz munter in seiner kleinen Hängematte. Der Umgang mit den Kindern hier begeistert uns immer wieder. Die Wajapi haben einen ausgesprochen liebevollen und zugewandten Umgang mi ihren Kindern, auch die Väter sind sehr eng mit ihren Kinder. Was auffällt, ist das die Kinder quasi nie stören, auch bei den Versammlungen verhalten sie sich ruhig ohne dass die Eltern eingreifen müssen.
Dass hier die „weisse Welt“ auch Einzug hält sieht man zum Beispiel daran, dass von den Jüngeren quasi jeder, jede ein Handy hat. Keremiti erzählt, das es sehr Thema sei, dass damit kein Mißbrauch getrieben wird.

Heute werden die Handys dazu genutzt Filmaufnahmen von Interviews zu machen, in denen die schwierige Situation der Gesundheitsversorgung Thema ist. Diese Interviews werden zur Zeit in allen Dörfern gemacht. Es gab ein Vorbereitungsseminar dazu, an dem zwei junge Frauen aus dem Dorf teilgenommen haben. Die Filme sollen zusammengeschnitten und übersetzt werden und dann der verantwortlichen Behörde vorgeführt werden. Diese behauptet in der Öffentlichkeit immer, die Indigenen seien bestens versorgt.
Dann gibt es noch eine Versammlung, wo uns konkrete Bitten um Unterstützung vorgetragen werden. Wir sollen dabei helfen, dass das Internet endlich fertiggestellt wird und funktioniert. Sie wünschen sich einen kleinen Gesundheitsposten, den sie selber bauen wollen. Dafür bräuchten sie einen Betrag von 500 R$. Und sie wollen mit je einer Frau aus den vier Dörfern hier an einer Ausbildung für weibliche AIS teilnehmen. Alle ihre Wünsche sind sehr nachvollziehbar und wir werden im Kontakt mit den Wajapi und der IEPE sehen, was möglich ist. Sie sagen auch, das sie weiter Druck auf die brasilianischen Behörden machen werden, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen.

Aruwaity, 17. Juni 2022

Heute war grosse Versammlung, quasi das ganze Dorf war anwesend. Siro, der Kazike hielt eine lange Rede. Er begann mit der Geschichte des Dorfes, dass hier bereits die Ahnen gelebt haben. Sie haben dann längere Zeit in der Gegend von Mariry verbracht und sind vor etwa drei Jahren hier her zurückgekommen. Es gibt hier reichlich Fische, die Jagd ist gut und die Felder sind ertragreich. Dann zählte er die Probleme auf. Dabei ging es vor allem um das Thema Gesundheit. Es gibt hier für vier Dörfer in der Region nur einen AIS, Fachkräfte der Weißen kommen nur zu Impfaktionen mit dem Helikoper vorbei. Sie haben keine Komunikationsmöglichkeiten. Das Funkgerät ist schon lange defekt. In etlichen Dörfern gibt es Sateliteninternet. Die Schüssel ist dafür zwar schon da, aber es ist nicht absehbar, wann die restliche Ausrüstung kommen wird und ob überhaupt. So kann im Notfall keine Hilfe geholt werden. Ähnlich sieht es beim Transport aus. Es fehlen Boote, Motoren und Sprit. Medikamente, Schnelltests und Malariatests gibt es nicht.

Sie behelfen sich viel mit Medizin aus dem Wald, aber bei schwereren Erkrankungen ist das nicht ausreichend. Und es ist dann schwierig Hilfe zu organisieren und die Patienten nach Aramira oder nach Macapa zu bringen. Das dauert dann oft Tage. Die Kurse zur Frauengesundheit finden sie gut und dass es einen Ausbildungskurs für weibliche AIS geben soll. Dann spricht Siro über die politische Situation, dass Bolsonaro die Lebensgrundlage der Indigenen zerstört. Wenn weiter abgeholzt wird, wenn Bergbauunternehmen in die Reservate kommen, dann wird der Wald sterben und mit ihm die Menschen, die hier seit Jahrhunderten leben und den Wald erhalten. Am Ende seiner Rede sagt er, er sei jetzt müde und müsse aufhören.
Am Nachmittag zeigen uns die Frauen, wie sie Baumwolle verarbeiten. Es ist ein aufwändiger Prozess vom Pflanzen bist zur Herstellung von Hängematten. Brunhild versucht mit der Spindel einen Faden aus der losen Baumwolle zu drehen, was nicht so einfach ist und viel Heiterkeit auslöst. Mit Einbruch der Dunkelheit ziehen wir uns in unsere Hängematten zurück und lauschen den Geräuschen der tropischen Nacht.

Aruwaity, 16. Juni 2022

Es hieß, wir würden früh aufbrechen, es wurde dann doch halb neun bis wir im Boot saßen. Aber der Aufbruch verlief trotz aller Aufregung ziemlich stressfrei. Es fuhr ein zweites Boot, in dem die Familie von Roseno, einem „agente sozioambiental“ und seiner Frau Marinau, einer Wajapi-Lehrerin, und noch andere mitkamen. Auch in Aruwaity wurden wir vom ganzen Dorf empfangen. Es gab einen ewig langen, wackeligen Steg, auf dem wir uns an Land hangeln musste. Wir gaben dabei nicht das eleganteste Bild, aber immerhin kamen wir ohne Sturz an Land. Das Fest war schon im Gange, alle waren herausgeputzt und bemalt. Wir mussten quasi in der „Ehrenloge“ Platz nehmen und dann begannen erst die jungen Männer mit dem Tanz. Bei jeder Runde über den Dorfplatz wurde immer abwechselnd gesungen oder verschiedene Flöten bespielt. Das ging so den ganzen Tag, immer wieder unterbrochen, damit die Frau des Festechefs Casiri, das „Maniokbier“ der Wajapi, an alle ausschenken konnte.

Es gab immer zwei Gruppen von Tanzenden, die größere, die für einen Typ essbaren Fisches stand und eine kleiner, aus zwei Männern bestehende. Das waren die Piranhas, die immer wieder in die größer Gruppe eindrangen und sie durcheinander brachten. Dann kamen auch die Frauen dazu, die sich jeweils an die Kette eines Mannes anhängten. Je weiter der Tag fortschritt, desto wilder wurde der Tanz. Wir hatten schon die Befürchtung, das würde die ganze Nacht so weitergehen, aber das war nicht so. Mit Einbruch der Nacht endete das Fest. Beim Fest der Fische, das immer zum Ende der Regenzeit gefeiert wird, geht es darum, dass dieser Fisch, der jetzt seinen Laich ablegt, möglichst fruchtbar ist und damit einen guten Fischfang in den nächsten Monaten ermöglicht.
Auch wir mussten eine Runde mittanzen. Wir wurden dazu mit rotem Rock und roter Lendenschürze ausgestattet. Auch dabei gaben wir wahrscheinlich eher eine komische Vorstellung, immerhin mussten die Wajapi viel lachen.

Wakowa, 15. Juni 2022

Heute morgen sind wir ins Dorf Wakowa aufgebrochen. Brunhilds Kopf war wieder schmerzfrei. Gleich zu Beginn der Fahrt mussten wir eine größere Cachueira überqueren. Dann waren immer wieder mal Bäume im Weg. Nach einer weiteren Stromschnelle und einer rund vierstündigen Bootsfahrt kamen wir an und wurden quasi vom ganzen Dorf empfangen. Wakowa ist das Dorf von Casiripina, der im Januar an Covid und Begleiterkrankungen verstorben ist. Er war einer der Führer der Wajapi, ein ungemein liebenswerter Mann mit dem ich viele gute Gespräche hatte.

Uns wird unsere Hütte gezeigt und wir werden beim Aufhängen der Hängematten unterstützt. Feuer wird gebracht und wir kochen Nudeln mit Tomatensoße. Wir erfahren, dass morgen in Aruwaity, unserem Zielort, Warakumiti das Fest der Fische gefeiert wird. Aus Wakowa werden uns quasi alle begleiten um beim Fest dabei zu sein. Die Nacht ist unglaublich still und morgens weckt uns der Gesang der Vögel und der Geruch von Feuer.

Pairakay, 14. Juni 2022

In der Nacht hat es ziemlich geregnet. Wir bleiben noch einen Tag hier. Den verbringen wir mit Gesprächen mit Cumare und Singau, Erklärungen zu den Pflanzen und Tieren hier. Sie haben einen jungen Tapir gefangen, den sie jetzt großziehen bevor er dann geschlachtet wird. Wir sollen aufpassen, den der Tapir frißt alles, was in seine Reichweite kommt. Beim Kochen auf dem offenen Feuer hilft Singal.

Baden können wir an zwei Stellen. Die eine gehört zum Fluss und es ist etwas schwierig, weil man auf dem Lehm leicht ausrutscht, die andere ist an einem kleinen Bach mit klarem Wasser, das auch als Trinkwasser benutzt wird. Wenn wir baden wollen werden die Kinder weggeschickt. Es wird sehr darauf geachtet, dass wir ungestört sind. Am Nachmittag hat Brunhild zunehmend Kopfschmerzen und muss sich übergeben. Cumare behandelt sie mit einem Pflanzensaft, der bei Kopfschmerz helfen soll.

Pairakay, 13. Juni 2022

Heute gegen 11 Uhr sind wir mit dem Boot nach Pairakay aufgebrochen. Mit den Lebensmitteln, Hängematten, Moskitonetzen, unseren Klamotten und den Geschenken haben wir reichlich Gepäck bei uns, und das muss bei den Stromschnellen jedesmal ein- und ausgeladen und über Land geschleppt werden. Nach Pairakay ist das nur zwei Mal notwendig über einige querliegende Stämme wird das Boot im Wasser drüber gehieft. Es hat immer wieder etwas bezauberndes hier mitten im Regenwald auf den Flüssen unterwegs zu sein.

Wir kommen nach etwas mehr als drei Stunden an und werden von Cumare und seiner Frau Singau herzlich begrüßt. Beim Dorfrundgang, Pairakay ist ein wunderschöner Ort direkt am Fluss, werden wir immer mit einem „ovary Tudo bem“ begrüßt. Es leben hier etwa 30 Menschen, viele Kinder, und es ist unglaublich ruhig. Singau hilft bei der Essenszubereitung auf dem Feuer. Wir schlafen im alten Schulgebäude. Es ist noch unklar wann wir weiterfahren, vielleicht bleiben wir noch eine Nacht.

Aramira, 13. Juni 2022

Gestern durften wir uns noch in dem Frauenseminar vorstellen. Wer wir sind, was Poema macht, warum wir hier sind. Nach unserer Vorstellung ergriffen mehrere der Frauen das Wort. Sie betonten, wie wichtig für sie das Thema Frauengesundheit ist, und das sie sehr froh darüber sind, das Poema dieses Projekt möglich gemacht hat. Sie fragen auch gleich, ob eine Fortsetzung möglich ist. Es gab eine etwas kuriose Situation als Brunhild auf englisch ihr Arbeit als Hebamme in Deutschland erklärte und darüber sprach, wie sehr sie die hohe Konzentration und das große Interesse der Frauen hier im Kurs wahrgenommen habe.

Es ist wirklich eine starke Frauengruppe hier versammelt, es sind fast dreißig Frauen allen Alters mit nocheinmal so vielen kleinen Kindern. Das Ganze wurde dann ins Portugisische übersetzt und dann noch in Wajapi; bei den Nachfragen die gleiche Prozedur umgedreht. Bei den Wajapi gibt es keine Hebammen, weil sie noch so mit ihrem Körper verbunden sind und die Geburt von Klein auf als natürlichen Vorgang immer wieder erleben können. Und trotzdem sind sie sehr interessiert an diesen Themen. Sie fragen nach, ob Poema auch eine Ausbildung für weibliche Gesundheitshelfer unterstützen kann. Wir sagen zu, dass wir gemeinsam mit ihnen und der IEPE überlegen werden, was dazu verwirklicht werden kann. Wir sind sehr beeindruckt von dieser weiblichen Präsenz.

Aramira, 12. Juni 2022

Heute haben wir die Krankenschwester Fra und Gutcha von unserer Partnerorganisation IEPE bei der Arbeit für „Saude das mulheres Wajapi“ (Frauengesundheit bei den Wajapi) begleitet. Wir fuhren zum Dorf Munu ´y an der Straße innerhalb des Reservats. Dort wurde die Versammlungshütte präpariert. Dazu wurden Holzklötze als Sitzgelegenheiten herbeigeschafft und um die Hütte wurde ein Sichtschutz angebracht um später die gynäkologischen Untersuchungen durchführen zu können. Nach und nach trafen die Frauen aus der Umgebung ein. Die Männer wurden weggeschickt. Anhand von Schaubildern gab es Aufklärung zur Anatomie und zu den Untersuchungen. Dies geschah alles auf sehr angemessene und achtsame Weise, wie mir Brunhild berichtete. Die Frauen waren sehr interessiert warum und wieso und sie erhielten entsprechend Auskunft. Im Einzelfall wurde von einer Frau, die auch an der AIS-Ausbildung teilnimmt, in Wajapi übersetzt. Bezogen auf die PAP-Untersuchung wurde sehr ausführlich anhand von Bildern dargestellt, wie die Untersuchung abläuft, was gegebenenfalls bei einem Befund weiter geschieht und auch wie ein möglicher Krankheitsverlauf und die Behandlung aussehen. Das alles fand statt in ruhiger Atmosphäre, mitten im Regenwald, begleitet von exotischem Vogelgezwitscher.

Ich hatte währenddessen ein Gespräch mit Seki, einem der älteren Lehrer. Als solcher erhält er ein regelmäßiges Gehalt und kann sich sogar ein Auto leisten. Er macht sich sorgen über die Lebensmittelversorgung der Wajapi. Hier an der Straße gibt es kaum mehr Tiere zum Jagen und der Ertrag der Felder ist gering. Das Essen kommt überwiegend aus dem Supermarkt des nächsten Ortes außerhalb des Reservats. Viele Wajapi haben sich deshalb tiefer in den Wald zurückgezogen. Dort ist die Jagd noch gut, es gibt genügend Fisch und die Felder sind ertragreicher. Außerdem waren sie jetzt während der Pandemie im Wald besser vor Ansteckung geschützt.
Morgen brechen wir ins Dorf Aruwaity auf. Das werden drei Tagesreisen auf den Flüssen. Wir beginnen die Reise mit Asurui, mit dem wir bis in sein Dorf Pairakae fahren werden. Dort übernachten wir und werden auch seinen Vater Cumare antreffen. Übermorgen bringt uns Asurui dann noch bis zu einem Wasserfall. Von da an wird uns Kuripy begleiten. Wir werden dann noch im Dorf Parikura übernachten um dann am dritten Tag in Aruwaity anzukommen. Wir sind gespannt, was uns dort und auf der Reise dahin alles begegnen wird.

Aramira, 11. Juni 2022

Wir sind gestern im Ausbildungszentrum Aramira im Reservat der Wajapi angekommen. Die Straße ins Reservat war glücklicherweise in einem besseren Zustand als befürchtet, und es hat unterwegs kaum geregnet.
Hier finden im Moment zwei Kurse statt; zum einen der von POEMA finanzierte Kurs zur Frauengesundheit. Der findet direkt hier in den Dörfern an der Straße im Reservat statt. Die Frauen des jeweiligen Dorfes kommen zusammen und erhalten zuerst grundsätzliche Informationen zum Thema Frauengesundheit. Dann gibt es Frage- und Antwortrunden und es werden individuelle Beratungen und Untersuchungen durchgeführt. Brunhild nimmt heute an dieser Veranstaltung teil und wird berichten. Auch bei dem anderen Kurs sind die Wajapifrauen die Zielgruppe. Es geht dabei um grundsätzliche rechtliche, gesellschaftspolitische und geschichtliche Informationen. Gestern Nachmittag wurde ein Film zur aktuellen Situation der Yanomami und deren Bedrohung durch die illegal eindringenden Goldsucher gezeigt. Das Vorgehen der Garimperos ist ähnlich dem der evangelikalen Missionare. Erst treten sie freundlich auf, machen Geschenke und bieten Hilfe für alles mögliche an. Haben sie das Vertrauen der Indigenen gewonnen, kommen ihre wahren Absichten zum Vorschein und werden gegebenenfalls mit Gewalt durchgesetzt. Die Yanomami leiden aktuell extrem unter dieser Invasion. Es sind mehr als 10 000 Invasoren auf ihrem eigentlich gesetzlich geschützten Land. Sie bringen Gewalt und Zerstörung und bedrohen das Überleben der Indigenen.

Die Situation bei den Wajapi ist aktuell noch besser, aber es gab schon erste Versuche von Garimperos auf die gleiche Weise Kontakt aufzunehmen. Und die betroffenen jugendlichen Wajapi haben die Kontaktaufnahme akzeptiert. Darin sieht man, wie wichtig diese Art von Aufklärung und Informaton, wie sie gerade stattfindet, für die Wajapi ist. Es war beeindruckend zu sehen mit welcher Aufmerksamkeit die Frauen über mehrere Stunden ohne Pause den Informationen folgten. Dabei waren auch viele kleine Kinder anwesend, die aber ohne zu stören dabei waren. Die Ausführungen mussten immer wieder in die Sprache der Wajapi übersetzt werden, weil gerade viele Frauen nur sehr rudimentär portugiesisch sprechen. Es gab immer wieder Fragen und Diskussionen. Heute geht es um eine Gegenüberstellung der Geschichte Lateinamerikas wie sie von den Weißen erzählt wird, und wie sie sich aus Sicht der Indigenen darstellt.

Macapa, 9. Juni 2022

Seit gestern sind wir in Macapa und werden von der Hitze überwältigt. Gestern abend waren wir noch am Amazonas, der sich aber wegen der Ebbe nicht richtig zeigte. Die Gezeiten wirken sich hier in der Nähe der Mündung schon sehr deutlich aus. Unser Abendessen an der Uferpromenade war von lauter Musik untermalt, auch daran müssen wir uns erst wieder gewöhnen. Wobei, dafür ist nicht so viel Zeit. Wir brechen morgen früh auf, erst noch Lebensmittel einkaufen, dann werden Asurui und seine Frau zusteigen, sie waren auf einem Kurs in Oiapoque, und dann gehts ins Reservat der Wajapi. Geplant ist, dass wir dort für zwei Tage den Kurs zur Frauengesundheit begleiten. Dann gehen wir auf eine dreitägige Bootsfahrt tief ins Reservat der Wajapi bis ins Dorf Aruwaity, wo wir zwei bis drei Tage verbringen werden. Wir sind voraussichtlich erst wieder ab dem 23. Juni in Macapa und wahrscheinlich können wir uns auch erst dann wieder melden.
Das Bild entstand heute morgen auf dem Weg zum Büro der IEPE, unserer Partnerorganisation für die Projekte mit den Wajapi. Plötzlich kam uns dieser völlig vermummte Mensch entgegen. Vermutlich arbeitet er mit hochtoxischem Pflanzengift, das ist hier leider üblich.

Belem, 8. Juni 2022

Wir sind gestern nach einem endlosen Nachtflug bis Sao Paulo und weiteren vier Stunden im Flieger glücklich, aber ziemlich ko in Belem angekommen. Ausversehen sind wir in der falschen Unterkunft gelandet, das haben wir aber gleich korrigiert, so dass wir bei unserer Rückkehr nach Belem im angenehmen Hotel Masilia unterkommen werden. Gestern Abend waren wir noch auf ein Bier an den Dokas. Heute Nachmittag geht es dann noch über den Amazonas nach Macapa, wo wir bereits am 10. ins Reservat der Wajapi aufbrechen werden.
Wir sind gespannt, was uns auf dieser Reise alles erwartet. Wir waren auf Grund der Pandemie über zwei Jahre nicht mehr hier. Freunde sind hier verstorben, das Land hat weitere schreckliche Erfahrungen mit seinem Präsidenten und seinen Anhängern machen müssen und die Wälder leiden und sterben in ungeahntem Ausmaß. Es gibt einen kleinen Hoffnungsschimmer, im Oktober sind Neuwahlen, und es ist immerhin im Bereich des Möglichen, dass es Veränderungen zum Besseren geben kann. Wir sind gespannt auf die Rückmeldungen unserer Freunde hier, auf die Stimmung im Lande und werden darüber berichten. Wir werden zuerst für etwas mehr als zwei Wochen bei den Wajapi verbringen, sind dann bei den Kaapor, werden unsere Freunde bei den Landlosen (MST) treffen, besuchen Altamira und Xingu Vivo und wir sind bei unseren Wiederaufforstungsprojekten in Cameta. Das ist der Plan, wir werden sehen, was tatsächlich stattfinden wird.